9. Oktober 2009

Bendlerblock und Willy-Brandt-Haus


Am Dienstag (06.10.) gingen die kulturellen Besichtigungen weiter: Am Vormittag besuchten wir das Verteidigungsministerium. Eigentlich schlossen wir uns einer Gruppe an, die in einer Partei war, welche kürzlich die Wahlmehrheit erhalten hat (von gewinnen zu sprechen wäre wohl zu viel). Und zum Zweiten eigentlich, wir besuchten überhaupt nicht das Gebäude, sondern nur einen Raum im Verteidungsministerium, nachdem wir ausführlich - wie am Flughafen - kontrolliert wurden. In diesem Raum stand uns ein Leutnant zur Verfügung, der Fragen beantwortete und einen Film zeigte. Leider erzählte er zu wenig über die Geschichte des Hauses (Bendlerblock) und zuviel über die Außeneinsätze der Deutschen Bundeswehr. Erschreckenderweise wußten viele Besucher nicht, dass diese Einsätze nicht von der Heeresführung oder dem Verteidungsminister, sondern durch Abstimmung im Deutschen Bundestag legitimiert sind. Ja, unsere gewählten Volkvertreter, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages schicken die Soldaten auf sog. Auslandseinsätze. Betont werden muss dabei, dass Deutschland nicht im Krieg ist! Der Leutnant wiederholte oft, dass die Bundeswehr sich seit 1994 in einem Prozess befindet, Transformation genannt. Kurz zusammengefaßt, die Bundeswehr transformiert sich seit 15 Jahren hinsichtlich ihrer Aufgabe von der reinen Landesverteidigung zu den sog. außerkrieglichen Auslandseinsätzen als Beihilfe für die Bündnispartner, besondern die USA seit dem 11.09.2001! Wenn ich jetzt über mein persönliches Unwort des Jahrhunderts (Terrorgefahr) und eine prophezeihte Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in Deutschland schreibe, würde dieser Blog ausufern.....
Übrigens haben wir den Verteidungsminister Jung kurz gesehen, der sich mit der Besuchergruppe photographieren ließ. Das war wohl auch ein Grund für den Wegfall des geschichtlichen Teils der Führung ... aus Zeitgründen. Schade. Dadurch war der Besuch im Verteidungsministerium für uns nicht spannend und nicht wirklich empfehlenswert.

Wer in Eigenregie mehr zum Bendlerblock und seiner Geschichte lesen will, sei auf Wikipedia verwiesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Bendlerblock. Der Gebäudekomplex war bereits Sitz der kaiserlichen Marineämter, und später des ersten Reichswehrministers Gustav Noske in der Weimarer Republik. Auch Hitler hatte seine Heeresführung hier einquartiert; unter anderem arbeitete hier auch Oberst Stauffenberg. Nach seinem mißlungenen Attentatsversuch wurde er nebst Mitstreiter in einem der Höfe durch Erschießen exekutiert. Tja, und nun sitzt die Bundeswehr in diesem Gebäudekomplex (sie betont dabei allerdings bevorzugt als geschichtlichen Hintergrund den Widerstand des 20. Juli 1944 und rückt den Rest der Nutzung , unter anderem im Nationalsozialismus in den Hintergrund...)

Nachmittags hatten wir Kontrastprogramm und besuchten das Willy-Brandt-Haus. Hier war im Nachgang zu den Bundestagswahlen die Stimmung verständlicherweise etwas gedrückt. Die Büste von Willy Brandt ist sehr beeindruckend. Sie hat viele Kerben und ist aus Bronze und Kreide hergestellt. Er hat eine Haltung, als ob er mitten im Gehen wäre. Sehr lebendig.
Das Haus selbst ist architektonisch interessant. Ähnlich wir im Bundespräsidialamt hat es zahlreiche Fenster, welche viel Licht hereinlassen und eine klare Struktur ohne Schnörkel. Außerdem ist auch die Geschichte wieder interessant: Die SPD wurde wohl 1963 von Lasalle gegründet. Sie hatte ihre Parteizentrale auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Allerdings ist das Haus im zweiten Weltkrieg ausgebombt worden und die Partei verkaufte das Grundstück nach Kriegsende, als der Regierungssitz nach Bonn verlegt wurde. Sie zog mit. Mit dem Umzug des Regierungssitzes zurück nach Berlin in den 90iger Jahren zog die Partei wieder zurück. Da auf dem verkauften Grundstück bereits Wohnhäuser (zur Eindämmung der gravierenden Wohnungsnot nach dem Weltkrieg in der zerbombten Stadt) standen, kaufte die SPD ein Grundstück in der Nähe ihre Ursprungsortes und baute dort ihren neuen Parteisitz.
Interessant fand ich auch, dass die SPD als einzige Partei 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Welch Mut und Rückgrad zu dieser Zeit. Meinung in der Partei und Abstimmung waren kongruent. Aber wie gesagt, war.


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